Lou Reed, Wiesbaden, Rhein-Main-Halle, 23. April 1977

In den diversen Konzertübersichten im Internet ist war dieser Auftritt von Lou Reed entweder überhaupt nicht oder unter einem falschen Datum verzeichnet:

Nein, Lou Reed trat nicht im August, sondern schon im April 1977 in Wiesbaden auf.

Der 23. April war ein Samstag und bevor wir uns endlich auf den Weg machen konnten, musste Eric Hysteric noch den halben Westerwald mit Kuchen und Torten beliefern.

Deshalb hatte die Bootleg-Verkäufer ihre Stände bereits abgebaut, als wir endlich an der Rhein-Main-Halle ankamen.

Falls irgendwelche Punks da waren, sind sie mir nicht aufgefallen.

Es ging – wie bei Bowie – los mit Klassik vom Band.

Lou Reed drei Tage vor Wiesbaden in Wien

Das Konzert war enttäuschend. [1]

Bei weitem nicht so katastrophal wie zwei Jahre später in Offenbach, aber von Lou Reed,

DEM Lou Reed,

hatten wir sehr viel mehr erwartet als gelangweiltes Gitarren-Geschrammel garniert mit Saxophon-Gequake und grässlichem Chorgesang:

Ersatz-Soul für Möchtegern-Hipster.

Typisches Lou-Reed-Live-Gedudel 1977 (plus studio overdubs): Heute ist „Wait“ mein Lieblingslied auf Street Hassle.

Trotz der lustlosen Performance bestand das Publikum auf einer Zugabe.

Oder kehrte Reed aus purer Bösartigkeit von sich aus noch mal zurück?

Jedenfalls stellte er sich ganz vorne an den Bühnenrand und spielte (zuerst mit?, dann ohne Band):

EINEN AKKORD!

Immer und immer wieder:

EINEN AKKORD!

Nach zwei, drei Minuten gingen die Ersten, dann strömten die Massen und nach fünfzehn Minuten war die Halle so gut wie leer.

Und Lou Reed spielte weiter, immer weiter (Oliver Kahn):

EINEN AKKORD!

Und ab und zu auch mal:

EINEN ANDEREN AKKORD!

Als Reed nach einer gefühlten Ewigkeit endlich Gnade walten ließ und aufhörte, standen nur noch zehn bis 15 Gestalten vor der Bühne.

Ausnahmsweise waren Eric und ich mal einer Meinung:

Das war das Größte gewesen, das wir bis da hin gesehen bzw. gehört hatten.

[1] Einige Konzerte der Tournee wurden von Richard Robinson (Ehemann von Lisa) in der damals revolutionären Kunstkopfstereophonie-Technik mitgeschnitten. Auch eine Aufnahme aus Wiesbaden hat es auf die im Februar 1978 von Arista veröffentlichte LP Street Hassle geschafft, die Reed und Robinson (mehr oder weniger) gemeinsam produzierten:

Während der Arbeit im Studio (Record Plant, New York) kam es zum Streit, weil Robinson Reed (aus kommerziellen, aber auch aus künstlerischen Gründen verständlicherweise) in Richtung Punk drängte, während dieser „funky“ klingen wollte (Arbeitstitel des Albums war I Wanna Be Black).

RIP Chris Cross 1952-2024

Systems Of Romance, Cover (Rückseite), Wasted Vinyl Collection

Chris Cross & Midge Ure, Jahrhunderthalle Frankfurt-Höchst, 24. Januar 1983 © Dieter K

Systems-Of-Romance-Tourposter 1978, Wasted Vinyl Collection

Midge Ure:

We worked together, we played together, made music and directed videos together. We were instant friends as well as Ultravox comrades. Even after years apart we managed to pick up where we left off like the years in between never existed.

You were the glue that held the band together. You were the logic in the madness and the madness in our lives. It was great to know and grow with you. You are loved and missed old friend.

Facebook

Filmposter: The Man Who Fell To Earth

Heutzutage gilt „The Man Who Fell To Earth“ als Kult-Klassiker.

1976 war der Film schlicht und einfach ein Flop.

Paramount-Pictures-Chef Barry Diller war so entsetzt, dass er darauf verzichtete, „The Man Who Fell To Earth“ in die amerikanischen Kinos zu bringen. Außerdem weigerte sich Paramount, die vereinbarten Lizenzgebühren an die Produktionsgesellschaft British Lion zu zahlen. [1]

In Großbritannien war das Publikumsinteresse überschaubar. Weil die Londoner West-End-Kinos den Film bereits wenige Wochen nach der Weltpremiere am 9. Mai 1976 [2] abgesetzt hatten, mussten Eric Hysteric & ich im long hot summer bis raus nach Islington fahren, [3] um Bowies ersten Kinofilm zu sehen.

Obwohl ich das Buch von Walter Tevis gelesen hatte und den Film an einem Montag Ende März / Anfang April 1984 noch mal im Kino (Mondpalast, Niederbrechen) sowie später im Fernsehen sah, habe ich nie so richtig verstanden, was das Ganze soll.

postermanwhofelltoearth1976

Rare original UK quad poster by Vic Fair, British Lion Film Corporation, Wasted Vinyl Collection

Immerhin hat sich der Preis des damals billig erstandenen britischen Filmposters in den letzten zwei Jahren fast verdreifacht.

Screenshot © eBay (UK), März 2024

Auch nicht gerade das Gelbe vom Ei ist die (im Wesentlichen von John Phillips komponierte) Filmmusik:

[1] Letztendlich konnte British Lion vor Gericht einen (geringen) Schadensersatz durchsetzen. Für 850.000 Dollar, was in etwa den Produktionskosten entsprach, lizenzierte Cinema V die amerikanischen Rechte.

[2] Vom 3. bis 8. Mai hatte Bowie mit seiner Isolar-Tour im Empire Pool (heute Wembley Arena) gastiert.

[3] Für „The Last Waltz“ riskierten wir sogar einen Ausflug nach Brixton.

Happy Birthday, Diana Ross!

Bereits kurz bevor die Beatles und andere britische Bands das bundesdeutsche Schlagereinerlei aufmischten, zeigten The Supremes, das Popmusik so viel mehr sein kann als „Der Schatz Im Silbersee“ (Medium Terzett), „Ich Kauf‘ Mir Lieber Einen Tirolerhut“ (Billy Mo) oder „Junge Komm‘ Bald Wieder“ (Freddy).

Eric Hysterics Supremes-Lieblingslied

In den 1970er und 1980er Jahren setzte Diana Ross dann als Solo-Interpretin Maßstäbe. Nicht nur künstlerisch, sondern auch geschäftlich:

1981 zahlte RCA Records (für die Nordamerika-Rechte an vier Alben) 20 Millionen Dollar Vorschuss.

Vor dem Konzert am 5. Oktober 1985 in der Frankfurter Festhalle wartete eine exklusive Auswahl aus der high society gespannt darauf, der Diva aus Detroit vorgestellt zu werden.

Doch bald machte das Gerücht die Runde, Diana Ross sei sauer, weil ihr Privatjet keine Starterlaubnis bekommen hatte und sie deshalb nach dem Konzert in Frankfurt bleiben musste. [1]

Und tatsächlich: Als Miss Ross in der Festhalle eintraf, wurde sie abgeschirmt und verschwand sofort in ihrer Garderobe:

Das meet & greet mit den Frankfurter Honoratioren war ersatzlos gestrichen worden.

Da ich in diversen Büchern gelesen hatte, dass sich Diana Ross zwar gegenüber ihren Supremes-Partnerinnen, Mitmusikern, Angestellten usw. gelegentlich wie ein Biest benahm („Call me Miss Ross“), Fans aber freundlich behandelte [2], entschloss ich mich, mein Glück am Hotel zu versuchen.

Kurz vor Mitternacht bezog ich vor dem Kempinski in Gravenbruch eine strategisch perfekte Position und wartete geduldig.

Als die (Mercedes-Benz Pullmann-?) Limousine vorfuhr, stieg der Leibwächter von Ross, ein (mindestens) zwei Meter großer Mike-Tyson-Typ, aus und inspizierte das Gelände.

Alles ruhig, keine Journalisten, keine Paparazzi, keine Fans. Nur ein paar Taxifahrer, die auf Kundschaft warteten. Das einzige verdächtige, was ihm auffiel, war ich.

Er kam näher, beugte sich zu mir herunter und sagte ganz ruhig, aber mit einem bedrohlichen Unterton:

„Move away.“

(Relativ) unbeeindruckt antwortete ich (frech, aber höflich):

„Why should I, Sir?“

„Because I told you so!“ [3]

In diesem Moment ließ Diana Ross die Seitenscheibe etwas herunter und rief den Leibwächter zu sich.

Dann kam er zurück und fragte:

„Want do you want?“

„Just an autograph.“

Ich wollte ihm das Maxi-Single-Cover [4] geben, aber er drehte sich um, ging zurück zum Auto und sprach kurz mit seiner Chefin.

Dann winkte er mich heran, öffnete die Tür und ehe ich verstand, was gerade passierte, saß ich neben Diana Ross.

Und der Leibwächter stand draußen im Kalten. [5]

An die folgenden Sekunden / Minuten kann ich mich nicht konkret erinnern. Hoffentlich hab‘ ich nicht nur dummes Zeug gestammelt.

Jedenfalls war Diana Ross überirdisch schön. Wie schön, das kommt auch auf den besten Bildern / Videos nicht einmal ansatzweise rüber.

Sie hatte eine unglaubliche Aura oder wie auch immer man „das gewisse Etwas“, das sie ausstrahlte, nennen mag. Auf einer Sex-Appeal-Skala von 0 bis 100 würde ich sie bei 250 (mindestens) einordnen. [6]

Zum Abschied gab mir Diana Ross die Hand, wobei sie mich mit ihren unglaublichen Fingernägeln (vgl. Chain-Reaction-Video ab Sekunde fünf) leicht kratzte.

Missing You / Work That Body – We Are The Children Of The World, 12 Inch Single, Capitol Records (UK), 12 CL 348, 1984, Signed, Wasted Vinyl Collection

Heute feiert Diana Ross ihren 80. Geburtstag.

[1] Eigentlich wollte sie zurück nach Paris (oder war es Monaco?) fliegen, wo sie während der Tour residierte.

[2] Wie man in der Anfang des Jahres veröffentlichten Dokumentation The Greatest Night In Pop (Netflix) über die Aufnahmesessions zur „We Are The World“-Single sehen kann, war es Diana Ross, die als erste einen der anderen Superstars (Daryl Hall) um ein Autogramm bat. Danach gab es kein Halten mehr:

[3] Ja, ich weiß: Klingt wie aus einem schlechten Drehbuch, ist aber Wort für Wort wahr.

[4] Da die ganze Aktion ungeplant war, hatte ich das erstbeste Cover aus der Festhallen-Dekoration „befreit“.

[5] Außer dem Fahrer (hinter der Trennscheibe) befand sich nur noch eine weitere Frau (auf der gegenüberliegenden Sitzreihe) in der Kabine.

[6] Zum Vergleich: Kim Wilde liegt bei 35.

Das ging aber schnell: KKR verabschiedet sich (mal wieder) aus dem Musikgeschäft

Zuletzt aktualisiert am 27.2.2024

Für 1,85 Milliarden Dollar hat KKR & Co. Inc. die in den letzten Jahren für (geschätzte 1,5 Milliarden Dollar) eingekauften Rechte an mehr als 60.000 Songs (Kompositionen und/oder Aufnahmen) schon wieder abgestoßen (vgl. UNIVERSAL MUSIC GROUP 21.2.2024).

Kein Wunder nach dem Ende der Niedrigzinsphase.

Im Oktober 2021, bei der Gründung von Chord Music Partners, dem Unternehmen, in das KKR die Rechte bündelte, hatte die Investmentgesellschaft noch von „sicheren Händen“ gesprochen, die langfristig die Rechte halten werden. Und selbstverständlich wollte KKR die Künstler „respektieren“ usw. usf. Was man halt so sagt.

Von wegen.

Jetzt konnte der Ausstieg gar nicht schnell genug gehen.

Und wer war der Käufer?

Na wer wohl?

Wer anderes als die Universal Music Group, schon zuvor der weltgrößte Musikkonzern.

Damit den Kartellbehörden nichts auffällt, erwirbt die UMG für 240 Millionen Dollar zwar nur 25,8 Prozent von Chord [1], aber über die Verwaltung der Kompositionen (darunter Songs von/für The Weeknd und Taylor Swift) durch die Universal Music Publishing Group und die geplante Verwertung der Aufnahmen über Labels von Virgin Label & Artist Services nähert sich der UMG-Anteil am globalen Musikmarkt weiter in großen Schritten der 50-Prozent-Marke. [2]

[1] Aus dem Kaufpreis ergibt sich eine Bewertung von Chord mit dem (ungefähr) 17fachen Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte (EBITDA). Die Mehrheit hält Dundee Partners, ein Familienunternehmen des früheren Goldman-Sachs-Bankers Stephen Hendel.

[2] Anfang 2024 gehörten der UMG etwa drei Millionen Aufnahmen und vier Millionen Kompositionen. Im Streit mit TikTok über die Höhe der künftig zu zahlenden Lizenzgebühren rechnete das chinesische Unternehmen die Bedeutung dieser Rechte auf eine Anteil von etwa 30 Prozent runter. Berücksichtigt man dagegen auch die Songrechte von anderen Besitzern, an denen UMG-Autoren beteiligt sind (und die deswegen ebenfalls von der UMG geblockt werden können), dürfte der UMG-Anteil am für TikTok relevanten Repertoire bei bis zu 80 Prozent liegen.

UNIVERSAL MUSIC GROUP N.V. (21.2.2024), Universal Music Group Acquires Minority Stake In Chord Music Partners

40 Jahre

Here she comes / You better watch your step / she’s going to break your heart in two, it’s true
She may be the face I can’t forget / A trace of pleasure or regret
Hold back the night, turn on the light / Don’t wanna dream about you baby / Dream about you baby
Something’s been making me sad / Something I’m missing that I never had / And I know what’s making me blue is losing you
There she goes / There she goes again / Racing through my brain / And I just can’t contain / This feelin‘ that remains
I’m sick of love / I’m trying to forget you / Just don’t know what to do / I’d give anything to be with you

So ändern sich die Zeiten: Bertelsmann schmeißt Roger Waters raus

Vor acht Jahren feierten Bertelsmann und die Tochtergesellschaft BMG Rights Management GmbH den Abschluss eines Musikverlagsvertrags mit Roger Waters noch groß. Beispielsweise jubelte der Bertelsmannvorstandsvorsitzende Thomas Rabe an prominenter Stelle im Geschäftsbericht 2016:

Auch unsere Wachstumsplattformen haben wir ausgebaut: (….) Zudem nahm unsere Musiktochter zahlreiche neue Künstler und Autoren unter Vertrag, darunter Pink-Floyd-Legende Roger Waters.

BERTELSMANN SE & CO. KGAA (28.3.2017), Innovation und Wachstum. Geschäftsbericht 2016, Seite 7.

Später bekam Waters auch als Interpret einen Vertrag. Doch im Herbst 2023 verhinderte der neue BMG-CEO Thomas Coesfeld, dass sein Unternehmen Waters Dark Side Of The Moon Redux veröffentlichte.

Stellenweise gar nicht mal so schlecht

Nun will sich die BMG offenbar ganz von Roger Waters trennen:

BMG is to part ways with Roger Waters, the Pink Floyd co-founder whose inflammatory comments about Israel, Ukraine and the United States have caused no shortage of controversy, Variety has learned … While it is common for artists to be “dropped” from their recording contracts by record companies, it is a far less frequent occurence for major publishing deals.

BMG Splits With Roger Waters Over Pink Floyd Co-Founder’s Comments on Israel (EXCLUSIVE)